Objekt des Monats

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Objekt des Monats Januar 2022 – Schmuck aus Haaren

Uhrkette aus Haar

Es gibt Dinge, die sich einst großer Beliebtheit erfreuten, welche heute allerdings eher als befremdlich oder unheimlich empfunden werden. Dazu zählen besonders solche Objekte, wie diese Uhrkette aus menschlichem Haar. Vom Ende des 18. bis zum Übergang in das 20. Jahrhundert gab es einen besonderen Andenken- bzw. Freundschaftskult, bei dem aus Haaren gefertigte Gegenstände zu einer regelrechten Mode gediehen. In jener Zeit galten Haare als kostbar und etwas sehr Persönliches und es bedeutete den Menschen viel, die Haare eines anderen zu besitzen. Ihnen wurde eine besondere Lebenskraft zugeschrieben, sie galten als Sitz des Lebens, ja gar der Seele. So sollten Kindern daher die Haare nicht vor dem ersten Lebensjahr geschnitten werden und noch heute bewahren manche Eltern Teile des ersten Haarschnitts ihrer Kinder sorgfältig auf. Haare wurden zu verschiedensten Schmuckstücken verarbeitet, wie Uhrketten, Medaillons, Ringen, Anhängern und auch zu Erinnerungsbildern, welche zum Gedenken an ein besonderes Ereignis oder an einen Verstorbenen dienten.

Totengedenken

Solche Haarkränze, wie dieser Trauerschmuck aus Kühndorf („Zum Andenken an meine gute Mutter!“), wurden aus Haaren verstorbener Personen geflochten und zur Erinnerung in einem Glaskasten aufbewahrt

Oftmals haben die Bräute, als Zeichen der tiefen Verbundenheit, wie unsere hier vorgestellte Taschenuhrketten für ihren Verlobten bzw. Ehemann hergestellt. Diese wurden möglichst von der Schenkerin selbst angefertigt, jedoch wurden auch Friseure oder Juweliere mit solchen Arbeiten beauftragt.

Uhrkette aus Haar

Ein weiteres Beispiel einer erst kürzlich in den Bestand aufgenommenen Uhrkette, dem Geliebten zum Geschenk, die dieser dann stets bei sich trug – welch romantischer Gedanke!

Die meisten dieser Schmuckstücke aber waren entweder Klosterarbeiten, wurden in Lohnarbeit von Heimarbeiterinnen oder von Friseuren und Perückenmachern hergestellt. Letztere waren wegen der Französischen Revolution, praktische über Nacht, arbeitslos geworden und fanden hier neue Möglichkeiten, mit ihren Fähigkeiten Geld zu verdienen. Für die Herstellung der zarten Objekte kamen verschiedene Techniken zur Anwendung. Blütenkränze und Blumensträuße wurden mit Schlingen- und Schlaufentechnik angefertigt. Hierfür wurde das Haar geflochten, gewoben oder geklöppelt und oft noch mit Silber- und Golddrähten oder Perlen angereichert. Schließlich wurden viele dieser fragilen Arbeiten zum Schutz hinter Glas gerahmt.

Brautschmuck

Bei diesem Hochzeitsandenken (um 1800) ist eines der Sträußchen aus den Haaren der Braut für ihren Bräutigam gefertigt.

Mit der einsetzenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurden solche Haararbeiten dann auch von größeren Unternehmen produziert. Nur durch eigens entwickelte spezielle Maschinen konnte die stetig wachsende Nachfrage gedeckt werden. Die Fassungen dieser „Massenware“ waren dann meistens aus dünn vergoldetem Kupfer- oder Messingblech, selten wurde auch Silber oder Gold verarbeitet. Die Geschichte des Haarschmucks endet, wie die Ausbildungsunterlagen des Friseurhandwerks belegen, schon bald nach dem Ersten Weltkrieg. (ls)