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Objekt des Monats Juni 2021 – Inka-Maske

Objekt des Monats Juni 2021

Der VEB Robotron-Elektronik Meiningen/Zella-Mehlis, ehemals „Mercedes Büromaschinenwerke AG“ hatte eine recht breit gefächert Produktpalette. Sie reichte von Schreib- und Rechenmaschinen über Computer bis hin zu komplexen Datenverarbeitungsanlagen. Doch auch im Bereich der sogenannten Konsumgüterproduktion, wie z.B. Radiogeräten, wusste er zu beeindrucken. Ein solches Produkt, die Maske „Inka“, und etwas Geschichte drumherum wollen wir mal näher beleuchten.

Nahezu alle benötigten mechanischen Bauteile wurden in werkseigenen Abteilungen für den eigenen Bedarf gefertigt. Dazu gehörten beispielsweise eine Schraubenfabrik, der Motorenbau und natürlich eine eigene Gießerei. Letztere wurde mit großem Aufwand in den Jahren 1922/23 unmittelbar neben dem Rechenmaschinenwerk, der späteren Betriebsberufsschule, erbaut.

Gießerei und Rechenmaschinenwerk um 1930
Gießerei und Rechenmaschinenwerk um 1930. Beide Gebäude existieren nicht mehr.

Das Gießereigebäude hatte die Abmessungen von ca. 64 m mal 52 m. Als Dach wurde die Konstruktion eines stillgelegten Flugzeughangars verwendet. Der erste Eisenabstich fand am 5. Mai 1923 statt. Zwei Kupol-Schmelzöfen mit einer Stundenleistung von maximal 3,5 Tonnen lieferten das Material für Büromaschinen-Gussteile, für Graugussstücke fremder Auftraggeber und für sogenannten Kunstguss in auftragsflauen Zeiten. Zur Gießereiabteilung gehörten die Bereiche Maschinenformerei, Handformerei, Kernmacherei, Putzerei, Modellbau und ein Labor.

Gießer
Manueller Guss mit Kelle in Sandformen.

Der Abguss wurde jahrelang nur manuell mit der Gießpfanne, bei großen Stücken per Kranbahn vorgenommen. Formerei, Abguss, Entleerung und Putzerei waren Knochenarbeit und verlangten vor allem im Sommer und Winter den Kumpels alles ab. Erst in der Zeit von 1977 bis 1981 wurde die Gießerei modernisiert.

Gießhalle
Blick in die Gießhalle mit aufgereihten Formkästen.

In der DDR verdankte der Kunstguss seine Hoch-Zeit – im weitesten Sinne – der ständigen Mangelwirtschaft. Irgendwas suchte der DDR-Bürger immer, und in den Betrieben galt die Sorge den benötigten Ersatzteilen, Roh- und Hilfsmaterialien. So entwickelte sich in der Gießerei, neben der Grauguss-Produktion, der Kunstguss. Die Modelle dafür stellten die Handformer und Modellbauer her. Mit einem kunstreich gegossenen Gegenstand konnte man manche Freude bereiten, Danke sagen, aber auch die eine oder andere Rarität beschaffen. Viele der zunächst inoffiziellen Kunstgussprodukte wurden aus Aluminium gefertigt, dafür nutze man ein Schmelzöfchen welches jedoch in den 1970er Jahren an einen andern Betrieb abgegeben werden musste. Die findigen Gießer hatten aber eine Lösung gefunden – sie schmolzen das Aluminium in herkömmlichen Handgießpfannen im glühenden Roheisen. Allerdings verunreinigte ausgelaufenes Aluminium den Grauguss oft derart, dass Qualitätsprobleme auftraten. Der Guss blühte weiß aus und war so hart, dass die Werkzeuge schneller stumpf wurden. In aufwendigen Verfahren mussten die Gussteile geglüht werden, um wieder ein bearbeitungsfähiges Gefüge herzustellen. Nach Ermittlungen der ABI (Arbeiter- und Bauerninspektion) wurde der heimliche Kunstguss aufgedeckt, die Modelle konfisziert und der Aluguss eingestellt. Glücklicherweise hatte man von der bevorstehenden Kontrolle Wind bekommen und einen kompletten zweiten Satz Gussmodelle in Sicherheit gebracht. Letztlich konnte das Problem gelöst werden – der Kunstguss wurde nun im Rahmen der Konsumgüterproduktion offiziell und nur noch in Grauguss ausgeführt. Ab 1982 gab es sogar einen Produktkatalog – die „Musterübersicht für Wand- und Tafelschmuck aus Grauguss“. Auf mehreren Seiten wurden etwa 30 Produkte Muster angeboten, z. B. Masken, Hellebarden und Reliefs, mit Angabe der Größe und des Gewichts.

Kunstgussbeispiele

Zwei Beispiele aus der Produktpalette, „Hirsch“ und „Trinker“.

Während der Wende 1989/90 rechnete täglich man damit, dass die Gießerei mangels Aufträgen wohl bald ihre Tätigkeit beenden würde, doch nach Privatisierung und einigen Modernisierungen erkalteten erst im Februar 1999 die Schmelzöfen für immer. Schließlich wurden nach längerem Brachliegen die Gießerei und die ehemalige Berufsschule abgerissen. Was bleibt sind die Erinnerungen und das eine oder andere Produkt, wie unsere schön bronzierte Inka-Maske. (ls)